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30 Leichen wurden in einem Boot vor Sizilien entdeckt.

Foto: AP Photo/Italian Navy

Palermo/Rom - Auf einem Flüchtlingsboot vor der Küste Siziliens sind rund 30 Leichen entdeckt worden, teilte die italienische Küstenwache in der Nacht zum Montag mit. Die Leichen befanden sich auf einem Schiff mit rund 590 Flüchtlingen, von dem zwei schwangere Frauen und einige Notfallpatienten umgehend an Land gebracht wurden.

Laut den ersten Untersuchungen sollen die Opfer dort tödliche Abgase des Motors eingeatmet haben und erstickt sein. Es wird jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass die eingepferchten Migranten in dem engen Raum keine Luft mehr bekamen.

Zahl der Flüchtlinge steigt

Die italienische Marine brachte am Wochenende über 5.000 Bootsflüchtlinge in Sicherheit, die über das Mittelmeer Richtung Europa unterwegs waren. Die Behörden sprachen am Sonntagabend von sieben Schiffen mit Flüchtlingen, die vor den italienischen Küsten aufgegriffen wurden. Damit stieg die Zahl der Flüchtlinge, die in diesem Jahr aus Nordafrika kommend in Italien eintrafen, auf mehr als 60.000.

Die Hilfsorganisation Save the Children machte darauf aufmerksam, dass unter den in diesem Jahr aufgegriffenen Flüchtlingen bereits mehr als 9.000 Kinder seien. Bisweilen seien Kinder auf den Flüchtlingsschiffen, die noch nicht fünf Jahre alt seien und die nicht von Angehörigen begleitet würden.

Auch die griechische Küstenwache hat am Montag an einem einsamen Strand der Insel Chios in der Ostägäis 32 Migranten entdeckt. Sie waren allen Anzeichen nach in der Nacht an Bord eines kleinen Bootes von der Türkei nach Griechenland gebracht worden. Wie die Küstenwache weiter mitteilte, wurden am Wochenende weitere 163 Migranten vor und auf den Inseln Samos, Lesbos, Agathonisi und Kos aufgegriffen.

"Lage außer Kontrolle"

"Die Lage ist außer Kontrolle, wir stehen vor einem unmenschlichen Drama", betonte der Bürgermeister der sizilianischen Hafenstadt Porto Empedocle, Lillo Firetto. Die sizilianischen Stadtoberhäupter machen Druck auf Rom und auf Brüssel. "Sizilien steht vor dem Zusammenbruch. Ganz Italien muss bei der Bewältigung dieser Situation helfen", betonte der Bürgermeister von Catania, Enzo Bianco. Sein Kollege aus Palermo, Leoluca Orlando, klagte dass Europa angesichts des Dramas, das sich in den Gewässern vor Sizilien abspiele, unsensibel bleibe.

Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi will die Flüchtlingsfrage zum prioritären Thema des Halbjahres seines EU-Vorsitzes machen, der am Dienstag beginnt. "Die Flüchtlingsboote, die täglich Sizilien erreichen, sind eine Schande für Italien und Europa", klagte Justizminister Andrea Orlando.

Operation "Mare Nostrum"

Populistische Parteien drängen in Italien auf ein Ende der Mission "Mare Nostrum" zur Rettung von Flüchtlingen in Seenot. Die Rettungsaktion würde den Menschenhandel über das Mittelmeer fördern, argumentiert unter anderem die rechtspopulistische Lega Nord. "30 Tote auf einem Flüchtlingsboot. Das sind 30 Tote auf dem Gewissen derjenigen, die den Einsatz 'Mare Nostrum' verteidigen, darunter unser Premier Matteo Renzi", betonte Lega-Vorsitzender Matteo Salvini.

Die Mission "Mare Nostrum" hatte im Oktober nach zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa mit mehr als 360 Toten begonnen. Der Einsatz kostet den italienischen Staat neun Millionen Euro pro Monat. Die Marine fordert zusätzliches Geld für Treibstoff, die Erneuerung der Flotte und Ersatzteile für die Schiffe. Außerdem drängt Italien die EU zu mehr Hilfe im Umgang mit dem Flüchtlingsproblem.

Die EU-Kommission will gezielt gegen Schlepperbanden vorgehen. Die EU-Kommission bereite gemeinsam mit Italien, das am Dienstag (1. Juli) die EU-Ratspräsidentschaft übernehme, einen Aktionsplan gegen Menschenhandel vor. Das teilte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Montag in Brüssel mit.

"Das Ziel lautet, die kriminellen Netzwerke dort zu bekämpfen, wo sie ihre Basis haben", sagte Malmström. Dazu sollten etwa die Polizeibehörde Europol und die Grenzschutzagentur Frontex zusammenarbeiten. Malmström appellierte an alle Mitgliedsstaaten, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Kommission stellt vier Millionen Euro Nothilfe für Italien bereit.

Gauck: Europa soll großzügiger sein

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hingegen forderte angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen einen großzügigeren Umgang mit Zufluchtsuchenden in Europa. In einer Grundsatzrede in Berlin machte Gauck am Montag klar, dass ihm die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und Europa nicht weit genug gehe.

"Wir, das heißt Deutschland und auch Europa, tun viel - aber nicht so viel, wie es uns selbst manchmal scheint", sagte Gauck laut einem im Voraus verbreiteten Redetext. Gauck wies insbesondere auf das Schicksal der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer hin, deren wachsende Zahl er auch auf die Abschottung der EU-Außengrenzen zurückführte. (APA, 30.6.2014)